Autor: Eduards Kļaviņš, Dr. habil. art.
Ziemlich sicher kann man behaupten, dass sich die allgemeine Ikonographie des Jugendstils schon herausgebildet hat, die in den frühen Abhandlungen der Verteidiger und Popularisatoren dieses Stils als kulturelles Phänomen R. Schmutzler[1], S. T. Madsen[2],, M. Wallis[3]bereits zu finden ist. In erster Linie sind es typologische Beschreibungen von Ornamentmotiven und Erklärung von deren symbolischen Bedeutungen. Diese Motive und die Bildlichkeit des Jugendstils werden selbstverständlich auch in den Übersichten der letzten Zeit erwähnt sowie wird auf den Zusammenhang mit anderen Fragen in den Überblicken des Stils der letzten Zeit hingewiesen (J. Howard[4], G. Fahr-Becker[5]). Erfolgreich wurde die symbolische Bedeutung einzelner Flora-, Fauna- und anthropomorpher Motive bestimmt, die insgesamt und am meisten an die allgemeine Semantik des Stils (an den Antihistorismus, Glorifikation der Natur, die sogennannte biologische Romantik) anzubinden ist und die in der Fachliteratur der Stilbetrachter definiert wurde. Wenn man den Jugendstil nicht nur als Stil der angewandten Kunst und Architektur betrachtet, sondern auch als eine Erscheinung in der Malerei, Grafik und Bildhauerei, wenigstens in der dekorativen, dann beginnt dessen Ikonographie auch mehr entfaltete Themen und entsprechende Botschaften zu enthalten. In diesem Fall lässt sich diese Thematik auch in die Ikonographie des Symbolismus einordnen, und im Bereich der Interpretation entsteht ein Problem in der Differenzierung von Richtungen. In der Geschichte beider umfangreichen Erscheinungen kann man Tendenz entdecken, sie zusammenfließen zu lassen und als Phänomen von einem Typus zu behandeln, abhängend von der Einstellung jedes Autors (H.Hofstätter [6], W. Hofmann[7]) oder auch Neigung, sie zu trennen, wobei nur auf vereinigende Elemente hingewiesen wird (R. Goldwater[8], M. [1] Wallis, K.-J. Sembach [9]). Um die unausweichbare Unbestimmtheit der Interpretation zu verringern, setzt der Autor des vorliegenden Textes ein Kriterium voraus, das die Grenzen des gesuchten ikonographischen Materials genauer ziehen lässt, wobei er für die Spezifik des Jugendstils dogmatische Stilisierung in ihrer Art, dekorativistische Ornamentalisierung hält, der verschiedene funktionale oder thematische Objekte (Gebäude, Gegenstände der angewandten Kunst, Bücher, Druckschriften, Gemälde, menschliche Figuren, Motive der Landschaften u.a.) unterzuordnen waren, und das im formalen Aspekt als Rhythmik von bimorphemen (asymmetrisch gewundenen, wellenartigen) Linien und Umfängen zum Ausdruck kam. Ihrerseits ist sie semantisch dem Begriff der „biologischen Romantik” von R. Schmutzler unterzuordnen. Mit anderen Worten, das war Ästhetisierung von biologischen Erscheinungen, breiter gesehen, von Urkräften der Natur sowie der „freien Natur”. Diese Annahme ist Grundlage dafür, dass in die Ikonographie des Jugendstils zuerst diejenigen ikonischen Elemente einzubeziehen sind, die visuell und semantisch dem allgemeinen Biomorphismus des Stils am meisten entsprechen. Selbstverständlich ist hier die Rede nur von der ursprünglichen, originellen Stilspezifik, weil Ergänzungen der biomorphen Stilisierung und Umgestaltung in Richtung der geometrisierenden Abstraktion der späteren Entwicklungsperiode sowie die Rhythmisierung von geraden und gebrochenen Linien und Formen von der Stiltransformation zeugten, voraussehend spätere Varianten der Formbildung (art deco, Kubismus, Funktionalismus, Konstruktivismus).
Weitere Informationen werden in der virtuellen Ausstellung, festgelegt wird bis April 2016.
[1] Schmutzler, R. Art Nouveau – Jugendstil. Stuttgart, 1962.
[2] Madsen, S. T. Art Nouveau. London: McGraw-Hill, 1967.
[3] Wallis, M. Jugendstil. Warschau: Arkady, 1974.
[4] Howard, J. Art Nouveau. Manchester: Manchester University Press, 1996.
[5] Fahr-Becker, G. Art Nouveu. Cambridge: Ulmann, 2007.
[6] Hofstätter, H. Geschichte der europäischen Jugendstilmalerei. Köln, 1963.
[7] Hofmann, W. Turning Points in Twentieth-Century Art: 1890 – 1917. London, 1969.
[8] Goldwater, R. Symbolism. London, 1979.
[9] Sembach, K-J. Art Nouveau. Köln: Taschen, 2002.