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19. Pflanzen und deren Stilisierung in der Jugendstilzeit

Autor: Agrita Tipāne, Dr. arch.



In der Jugendstilzeit ist die Natur zum Gegenstand der Erforschung und Inspirationsquelle für Künstler geworden. Ende des 19. Jahrhunderts haben Wissenschaftler mehrere wichtige Entdeckungen in Naturwissenschaften gemacht, indem sie neue Arten entdeckten und die Evolutionstheorie ausarbeiteten. Das hat das Interesse der Gesellschaft an der Natur vertieft, und viele Literaten, Maler und Künstler haben sich in ihren Werken der Natur zugewandt. Der deutsche Biologe, Naturforscher und Philosoph Ernst Haeckel,der Entdecker von mehreren neuen Arten war, bekam bei der Untersuchung der Einzeller mit dem Mikroskop deren Abbildungen, die mit ihrem künstlerischen Aussehen überrascht hatten (1. Abb.). Von 1899 bis 1904 wurden 10 Bände seiner Werke herausgegeben, in denen Zeichnungen verschiedener Naturelemente gesammelt waren, die an herrliche Ornamente erinnerten. Zusammenfassung des Werks des Wissenschaftlers ”Kunstformen der Natur”, die 1904 herausgegeben wurde, bewirkte eine wahre Umwälzung in der Kunstwelt. Diese Zeichnungen regten viele Künsler an, sich in die Natur und deren Elemente zu vertiefen. Ernst Haeckel war der erste, der 1866 auch den Begriff Ökologie (Wissenschaft über die Wechselwirkung zwischen der Umwelt und den Organismen) zu verwenden begann. In seinen Zeichnungen haben Inspiration solche Meister wie Hans Christiansen, Hendrik Petrus Berlage, Emile Galle u. a. geschöpft.
            Das Interesse an der Natur, das Ende des 19. Jahrhunderts begann, bestand auch Anfang des 20. Jahrhunderts und kam in den Werken vieler Jugendstilmeister zum Ausdruck. Kunsthistorikerin Teresa Sala schreibt:„Anfang des 20. Jahrhunderts wünschten die Begründer der Jugendstilbewegung neue dekorative Formensprache zu entwickeln, indem die Inspiration von der Natur und von den darin vorkommenden Linien und Formen geschöpft wurde. Die Natur ist zum Tempel geworden, der begeisterte und sich in symbolischen Bildern offenbarte.” Die Natur sprach Dichter an und inspirierte sie. Charles Baudelaire schrieb in seinem Gedichtband „Les Fleurs du Mal„ (dt. „Die Blumen des Bösen”): „Die Natur ist ein Tempel, wo jedes Leben geschöpft wird...” Die Begeisterung über die Natur erscheint auch in den Werken der lettischen Dichter, mehrmals besangen sie Rainis, Aspazija, Fricis Bārda, Vilis Plūdonis u. a. Atis Ķeniņš betitelte das erste Kapitel seines 1913 erschienen Gedichtbandes „Das Land des Potrimps” „Natur und Seele” und beschrieb darin die Schönheit der Natur Lettlands. Diese Sammlung ist wie ein wunderbares Werk der Buchwesen-Kunst entstanden, für die der Künstler Burkards Dzenis (1879–1966) herausragende Graphiken schuf, in denen stilisierte Naturelemente verwendet wurden – Fichten, Meereswellen, Himmel mit Wolken u.a. (2. Abb.).
            Die Tendenzen des Besingens und des Glorifizierens der Natur, die reichlich in der Literatur zum Ausdruck kamen, wurden auch im Schaffen der Architekten und Künstler aktuell. Verschiedene Pflanzen begeisterten die Känstler am stärksten. Jedes Ding in der Jugendstilzeit sollte zum Kunstwerk werden, deshalb fanden Pflanzenmotive in der dekorativen Gestaltung breite Anwendung. Damit die Pflanzen künstlerische Gestalt bekommen, wurden sie in der für den Jugendstil charakteristischen Manier stilisiert. Den Blumenstielen wurden gebogene geschmeidige Linien verliehen; sie wurden durch Pflanzenblätter ergänzt, die sowohl übertrieben geometrisiert als auch naturalisiert wurden. Der Akzent solcher Kompositionen waren Blüten, deren Stilisierung ziemlich oft den ornamentalen Dekor gestaltete. Stilisiert wurden auch krautige Pflanzen, Bäume und Sträucher. Das waren beliebte Dekors nicht nur für Exterieur und Interieur der Gebäude , sondern auch für einzelne Dinge und Gegenstände. Pflanzenelemente werden oft auch mit deren symbolischen Bedeutung verbunden, auf solche Weise wird der Sinn und die Verbindung des konkreten Dings mit der Umwelt ausdrucksvoller.
 
Weitere Informationen werden in der virtuellen Ausstellung, festgelegt wird bis April 2016.