Autor: Inta Pujāte, Mag. art.
Der Mythos ist seit grauer Vorzeit ein unabdingbarer Teil der Kultur. Besonders wichtig war seine Rolle in prähistorischer Zeit, als das mythische Denken die Grundlage aller Bereiche der Menschenwelt darstellte: der Wissenschaft, der Kunst, der Ethik, der Medizin u.a. In der modernen Zeit wurde das Mythische in den Ländern der klassischen Kultur von den Romantikern aktualisiert, als in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts und im Laufe des 19. Jahrhunderts das Sammeln des überlieferten Volksgutes und der handwerklichen Erzeugnisse aktuell wurde. In diesem Zeitalter hat man in Europa auch den geistigen Reichtum des Orients entdeckt.
Anfang des 19. Jahrhunderts erreichten diese Prozesse das Baltikum, wo sich die im Baltikum lebenden Deutschen für die Sprachen, Sagen und Märchen der einheimischen Bevölkerung zu interessieren anfingen. Ihre Arbeit wurde Mitte des 19. Jahrhunderts von lettischen und estnischen Gebildeten auf einer qualitativ neuen Stufe fortgesetzt. Das gesammelte ethnographische Material wurde zur Grundlage für professionell ausgebildete lettische Maler und Graphiker, die Ende des 19. Jahrhunderts und Anfang des 20. Jahrhunderts wirkten.
Diese Generation erklärte die Schaffung einer national charakteristischen Kunst nicht nur nach formalen Besonderheiten, sondern auch in den für die Weltauffassung des Volks typischen Figuren und der Widerspiegelung von emotionalen Zuständen zu ihrer Aufgabe. Poetisch beschrieben hat diese Einstellung der lettische Schriftsteller Atis Ķeniņš (1874–1961) in seinem Essay über den Schriftstellerkollegen Fallijs (eigentlich Konrāds Bullāns, 1877–1915): „Der Dichter spürt in sich die geistigen Neigungen seiners Volkes. Diese bilden sich in Symbolen seines Entzückens und seiner Philosophie. Der Politiker und Historiker, indem er über die Zukunft des Volkes spricht, analysiert nur das Erreichte und zu Erreichende, wertet nach logischen Prinzipien die Mittel und Ziele aus, bemessen an dem Kräfteausgleich. Der Dichter erklärt nicht, er schafft. Er selbst ist ein neuer Faktor im Leben des Volks. Er schafft Wahrheiten und Schönheiten, die früher nicht existiert haben. Die Dichtung ist die Synthese des negativen und positiven Kampfes eines Volkes. Geleitet vom Instinkt des Geistes, entdeckt der Genius der Dichtung eines Volks wie im Traum bisher unbekannte Inseln. Über sich selbst träumend, entdeckt er das Geheimnis der Erfüllung des Volksgeistes.”[1]
Die Aufgabe der zeitgenössischen Forschung ist es, die Gesamtheit der Erscheinungen zu erforschen, die man als „ethnischen Symbolismus“ bezeichnen könnte. Anthony D. Smith, der als Begründer einer interdisziplinären Nationalismusforschung gilt, hat bei der Analyse der ethnischen Besonderheiten im Laufe des 20. Jahrhunderts sehr prägnant das Ziel dieser Forschung formuliert: “[D]ie wichtigste Beschäftigung der ethnischen Symbolisten ist die Notwendigkeit, die ´innere Welt´ des Ethnischen und des Nationalismus mit Hilfe der Analyse von symbolischen Elementen und subjektiven Dimensionen zu verstehen“.[2]
Weitere Informationen werden in der virtuellen Ausstellung, festgelegt wird bis April 2016.
[1] Ķeniņš, A. Fallijs. Zalktis,1906, Nr. 1, S.161.
[2] Smith, D. A. Ethno-symbolism and Nationalism, S. 23.