Autor: Ivans Paukovs, Dr.art.
WAS SOLL MAN MIT DIESEM FORTSCHRITT ANFANGEN?
Niemals zuvor hatten Londoner etwas Ähnliches gesehen. Über das Wunder der neuen Architektur – den Crystal Palace hatten schon viele darüber in Zeitungen gelesen. Aber das, was jetzt vor ihren Augen erschien, hatte keine Analogie zur bekannten Architektur. Gigantische vielstufige durchsichtige Gehäusestruktur, projektiert als zentrale Halle für die Eröffnung der Industrieausstellung, wenn sie auch nicht in allem einem Schloss ähnelte, aber auch keiner zeitweiligen Ausstellungshalle. Überhaupt könnte der Bau sonst was sein: Bahnhof, Markt oder Manege. Es wäre einfacher aufzuzählen, was es nicht sein könnte, überlegten aus dem Besucherstrom die Ingenieure und Architekten, denn aus diesen verglasten metallenen Gehäuseelementen kann man ja alles zusammenbauen , was man braucht. Das ist nur eine befristet aufgestellte Halle!
Es war das Jahr 1851. Die Megahalle hatte aber einen längeren Bestand, als ursprünglich vorgesehen war. Bei der unveränderlichen Begeisterung der Bevölkerung würde sie wohl noch heute stehen, wenn die Feuersbrunst im Jahre 1936 sie nicht vernichtet hätte.
Hätte jemand am Tag der feierlichen Eröffnung der Halle dem Bauingenieur J.Paxton gesagt, daß in diesem Augenblick chronologisch eine neue Etappe der modernen Architektur beginnt, hätte er das vielleicht als einen geschmacklosen Witz empfunden , mit dem Vorwand ihm damit zu schmeicheln.
So oder anders hätte er auf den Witz reagiert, wie sich das einem gut erzogenem Engländer gehört.
Nicht ausgeschlossen, daß es auch so gewesen sein könnte: bis heute erhalten gebliebene Zeugnisse berichten darüber nicht.
Als jeder vernünftiger Viktorianer hielt Paxton die echte oder nicht ganz echte Schüchternheit als größte Tugend. Schüchtern schien auch seine Laufbahn zu sein, voll von nicht enden wollender Arbeit mit geringem Fortschritt und in kleinen Schritten. Von Haus aus Gärtner begeisterte er sich für das Projektieren von Orangerien. 16 Jahre nach dem Aufbau der ersten medusenähnlichen Orangerie in Chatsworth baute er die nächste mit weniger komplizierter Silhouette im Jahr 1848, jedoch mit rekordschlagender Länge von 101m. Dann fand alles schneller statt und schon nach drei Jahren erblickte die Welt den Crystal Palace, das dem ehemaligem Gärtner Unsterblichkeit bescherte. Hatte er verinnerlicht, in welche Wirkungskreise, außer obere soziale,er eingedrungen war? Das ist eine gute Frage.
Unter den Besuchern der Industrieausstellung war ein junger, aber schon einflußreicher Kunstkritiker namens John Ruskin, der damals an einem seiner besten Bücher „The Stones Of Venice” arbeitete. Ruskin war mit Paxton nicht bekannt und suchte das Treffen mit ihm auch nicht. Nach vielen Jahren kam er zu dem Schluss, dass der Crystal Palace eines der missgestaltetsten Gebäude war, das er je gesehen hatte.
Weitere Informationen werden in der virtuellen Ausstellung, festgelegt wird bis April 2016.